Alles anzeigenIch hatte mehrfach die Gelegenheit, eine 790 ausgiebig zu fahren, ich wähle die immer, wenn meine Superduke mal zur Inspektion oder sonstwie zur Werkstatt muss. Hier meine Erfahrungen:
Das Ding macht höllisch Spaß! Das fängt schon beim Sound an - kein Vergleich zum etwas müden Gepröttel der Yamahas. Die Sitzhaltung ist klasse, passt für mich perfekt, aktiv, leicht nach vorn, vernünftiger Kniewinkel, alles gut im Griff, nur der Sattel ist nicht bequemer als der einer MT07, aber sicher auch nicht schlechter. Beim Losfahren wundert man sich dann, wie bissig das Teil anschiebt und wie gnadenlos es nach oben raus dranbleibt. Wer hiermit hinterfährt, hat ein handwerkliches Problem und sollte mal etwas mehr üben. Man muss sich allerdings kurz an das etwas höhere Drehzahlniveau gewöhnen, 60 km/h im 6. geht jedenfalls nicht, denn so um die 3000 U/min sollten es schon mindestens sein.
Das ist aber kein Nachteil, sondern reine Gewohnheitssache, zumal mir noch kein Mopped bisher beim Schalten mehr Spaß gemacht hat als die 790 mit Blipper. Da zuckt nur kurz der Fuß, egal ob rauf oder runter, das Gas bleibt auf und der nächste Gang sitzt - natürlich ohne Kupplung, gefühlt in Millisekunden. Einfach nur anfahren und danach durchladen, bis der Arzt kommt. Das klappt sogar viel besser als bei meiner Superduke.
Fahrwerk: Das Teil ist mindestens genauso wendig wie eine MT, liegt dabei "trocken", also straff und gut gedämpft auf der Straße. Dabei ist vor allem die Gabel vorn spürbar unkonfortabler als bei den sämigen, aber zum Schaukeln und Durchschlagen neigenden Yamahas. Bei der KTM ist dagegen diesbezüglich Ruhe im Fahrwerk, selbst bei sehr großen Schräglagen und schlechter Fahrbahn fühlt man sich immer als Herr der Lage und sicher. Vielleicht sogar sicherer, als einem auf Dauer gut tut.
Auch die Bremsen sind ein ganze Klasse besser als bei den MTs/XSRs. Sie bieten besseren Initialbiss und ihre Dosierbarkeit ist trotz kleinerer Handkraft besser. Mit zwei Fingern kann man immer in den ABS-Regelbereich bremsen. Apropos ABS: Auch hier hat die 790er einen großen Vorsprung. Die Yamahas regeln doch sehr grob, es gibt harte Regelschläge, das Hinterrad kommt schon mal unvermittelt hoch. Bei der KTM fragt man sich anfangs, ob die überhaupt ABS hat. Zuerst regelt es erst sehr spät und dann merkt man es kaum, nur ein leichtes Surren und die Karre steht. Sogar Kurven-ABS soll sie ja haben ...
Diese fröhliche, aber auch etwas fordernde Art muss man allerdings mögen, für Gemütsmenschen ist das jedenfalls nichts. Das Ding braucht reichlich freien Auslauf auf artgerechten Landstraßen, in der Stadt, oder geradeaus bei aufgezwungenem Tempo ist das Teil nervig bis anstrengend. Dann bockt es gerne mal, braucht eine betont ruhige Gashand, zerrt wie ein junger Hund immer an der Kette.
Also kommt es wohl auf den Rentner an, der draufsitzt. Mir jedenfalls taugt schon die 790er im Ganzen sehr, ich überlege sogar gerade ernsthaft, ob ich nun auf die 890er wechsele. Dieses Teil scheint mir jedenfalls in der R-Version die perfekte Mischung aus unserer XSR700 und meiner Superduke zu sein: Voll einstellbares Fahrwerk, Top Bremsen (Brembo M50), viel mehr als nur genug Dampf und Drehmoment, also genau das, was ich schon lange wollte und zur Zeit in Form von zwei Moppeds im Stall habe. Selbst den Motor haben sie wohl durch etwas mehr Schwungmasse gezähmt - ich bin schon ganz wuschig ...
Wenn ich das lese wäre ich gerne 20 Jahre jünger😀