Apollo
Geschmierte Schraubverbindungen sind ja an und für sich gar kein Thema. Pleuelschrauben werden z.B. geschmiert verschraubt und sehen auch ziemlich krasse Belastungen. Da geht es dann im Wesentlichen darum, dass die Streuung der Vorspannkraft reduziert wird und vielleicht auch noch um eine Reduktion der Torsionskraft.
Je mehr man sich damit beschäftigt, desto deutlicher wird aber auch klar, dass es keine praktikabel anwendbaren, branchenübergreifenden Daumenregeln gibt. Wenn es darum geht 2 einfache Bleche zusammenzuhalten, müssen wir kein Fass aufmachen. Aber so ne Achse sieht Belastungen auf allen 3 Raum-Achsen (Beschleunigen, Bremsen, Einfedern, Ausfedern, Links-Kurve, Rechts-Kurve) und verbindet insgesamt 17 Elemente (Schwinge muss man insgesamt 4x zählen, da 2x 2 Bleche). Das führt zu insgesamt 19 Kontaktflächen Metall auf Metall mit unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit und in Folge Reibung beim Anziehen, die sich auch zwischen Fertigung und dem 30. Reifenwechsel ändert. Und ja, man kann das alles berechnen bzw. es gibt international anerkannte Tabellenwerke für die Reibungskoeffizienten unterschiedlichster Gewinde und Materialien sowie Oberflächenbeschaffenheiten und deren Verhalten über Zeit. Gibt natürlich auch Programme, wo man den Bums nur eingibt und dann die Berechnungsresultate rauspurzeln.
Bauchgefühl ist da aber eher fehl am Platze. Und auch ein "bisher haben alle meine Motorräder xx Nm bekommen, das muss auch für diese Maschine passen" ist grober Unfug. Bei einem PKW würde ich es auch nicht so machen, aber da ist es weniger kritisch. Da hat man Felge, Radnabe, Radschrauben - Ende. Darum gibt es da auch nicht sonderlich viel Variation.
Am Ende sollte man sich glaube ich folgende Frage stellen: Bedeutet es eine akute Gefahr für Leib und Leben, wenn sich diese Schraubverbindung löst? Wenn die Antwort ja ist, dann wird das Ding genau so wie von Yamaha vorgegeben und mit Drehmomentschlüssel angezogen oder die Schraubverbindung selbst neu gerechnet, bevor man davon abweicht.
Öl-Ablassschrauben fallen da nicht rein. Selbst Kettenblatt zu Kettenblatt-Träger würde ich nicht als akut sicherheitsrelevant bezeichnen. Kann potentiell einiges kaputt machen, aber bevor es zu einem Unfall führt, muss schon einiges passieren. Nen ABS-Sensor schraube ich auch nicht mit Drehmoment an, wenn ich ehrlich bin. Verkleidungsteile schonmal überhaupt nicht. Selbst den Sitz nicht, weil ich da auf Rändelmuttern umgestiegen bin und man es merkt, wenn der mal lose wird. Aber Achsen, Bremsen, Gabelbrücken, Gabel-Stopfen, Lenkerklemmblöcke, Fußrastenanlage - da gibt es keine Diskussion und ich verstehe auch nicht, wie man darauf kommt, da was dran zu ändern.
Für Interessierte, die 17 Elemente sind (in Fahrtrichtung von links nach rechts): Unterlegscheibe, Alu-Dings, Schwinge, Kettenspannung-Einstelldings, Schwinge, Distanzstück, Lager Kettenblatt-Träger, Distanzstück Kettenblatt-Träger, Radlager links, Distanzstück, Radlager rechts, Distanzstück, Bremssattelträger, Schwinge, Kettenspannung-Einstelldings, Schwinge, Alu-Dings