So, nachdem ich mir so ne Art große T7 für weite Straßentouren wünsche bin ich mal eine BMW 1250GS gefahren. Probefahrt hab ich bei der BMW Niederlassung in Nürnberg gemacht. Dort darf man das Motorrad der Wahl 2h fahren und kosten tuts nix. Service ist super freundlich und unaufdringlich. Bei der Probefahrtdauer dürfen sich die Yamahahändler die mir von sich heraus idR 30 Minuten, manche 60 Minuten anbieten, mal ne Scheibe abschneiden.
Ersteindruck/Ergonomie: Recht niedrig mit der Sitzbank auf der flachen Einstellung, stehe bei 179cm fast vollflächig mit beiden Füßen am Boden. Der Lenker ist sehr weit nach hinten gebogen, wodurch man die Handgelenke schon wieder nach außen drehen muss. Komisch. Der Abstand relativ zum Sattel ist aber sehr schön. Die Sitzbank selbst ist weich und breit, aber man hat viel Gewicht auf dem Oberschenkel. Stellt euch vor ihr setzt euch auf ne Bierbank. Dann kommt jemand und schiebt euch in dickes Kissen unter den Hintern. Dann rutscht ihr noch nach hinten, sodass der Arsch leicht hinten runterhängt. Das ist das Sitzgefühl des Sattels der GS. Zum Vergleich die T7: Ihr dreht euch quer zur Bank und nehmt das Sitzkissen weg. Das ist das Sitzgefühl der T7 :D.
Bedienung:
Alle Hebeleien sind leicht zu bedienen und gut zu erreichen. So eine hydraulische Kupplung ist schon sehr lecker. Auch der Elektronik Klimbims lässt sich schön und intuitiv steuern. Fahrwerks- und Modiverstellung lassen sich leicht finden und fast schon blind bedienen. Einzig die Fußbremse ist sehr weit innen liegend, wodurch man kaum an den Bremshebel kommt, ohne sich den Fuß zu verdrehen.
Motor:
Vibrationsfrei bei jeglicher Last, recht deutlich vibrierend über die ganze Maschine hinweg im Schubbetrieb, aber nicht schlimm. Durchzugsstark wie sau, bei ganz niedriger Drehzahl aber ohne Leistung. Musste paar mal aus der Kehre heraus vom 3 in den 2 Gang wechseln (siehe hier auch Fahreindruck am Ende des Posts). Überholen am Ortsausgang so unglaublich leicht, dass es fast ein Unterschied wie vom Auto zur T7 ist. Durchziehen auf 180 auf der Autobahn mitsamt dem Quickshifter eine sehr grobe Angelegenheit. Schlägt ordentlich im Nacken ein. Verbrauch laut Bordcomputer: 5,7 l/100km. Sound (Beurteilung mit Gehörschutz mit Filter): Wie ein Diesel bei Stand und Teillast, irgendwas klappert deutlich, besonders in der Stadt. Vermutung: Wenn der Shiftcam Versteller auf die niedrige Motordrehzahl eingestellt ist klappert irgendwas. Hört sich so an wie ein falsch eingestelltes Ventilspiel. Unter Last und beim Schalten dann richtig schön, aber primär vom Auspuff. Typischer Boxersound eben.
Getriebe:
Unauffällig gut. Lässt sich wunderbar schalten. Schleifpunkt der Kupplung auch gut zu spüren, schön "mechanisch" trotz hydraulischer Kupplung. Mit Quickshifter: Beim Hochschalten meist sehr hart, das haut teilweise richtig übel rein, in der Regel also eher unangenehm. Blipper: Schwergängig am Hebel, aber schaltet dann ohne jeglichen spürbaren Ruck runter und das über alle Gänge hinweg.
Fahrwerk (Dynamic ESA war verbaut).
Roadmodus: Komfortabel, schluckt auch schlecht versenkte Gullideckel sehr gut, ganz im Gegensatz zur T7. Aber: Schwimmt auf schlechten Straßen mehr und mehr auf. Desto schneller, desto unkomfortabler wird es. Irgendwann fühlt es sich gar gefährlich an. Den Punkt hab ich mit der T7 auf den gleichen Strecken bei gleicher oder höherer Geschwindigkeit nie erreicht. Gefühlt ist hier die Zugstufe unterdämpft. Hat sich bei der Fahrt einer 1200GS vor 3 Jahren exakt genauso angefühlt.
Dynamic Modus: Schön straff und hart für glatte Kurvenstrecken, aber zu unkomfortabel für schlechten Asphalt, auch bei langsamer Geschwindigkeit in Ortsdurchfahrten nervig. Gefühlt ist hier die Zugstufe passend, aber die Druckstufe zu hart.
Keiner der beiden Modi könnte mich auf Dauer überzeugen. Für schlechte Straßen gibt es keinen passenden Modus.
Windschutz:
Echt gut. Bislang bester Windschutz einer Serienmaschine. Keine Turbulenzen. Aber das Windschild müsste noch größer sein, damit der Wind gar über den Helm geht. Dann sollte es eigentlich sehr leise werden. Finde es auch toll, dass man eine Verstellung der Scheibe integriert hat, die nicht nur die Höhe sondern auch die Neigung der Scheibe verstellt.
Fahreindruck:
Sehr spurstabil, agil, man spürt nichts vom Gewicht außer beim starken Anbremsen auf Kurven. Kleine Impulse am Lenker haben bereits eine große Wirkung, sogar mehr als bei der T7. Am Kurveneingang fühlt es sich sehr vage an, irgendwie kein Feedback vom Vorderrad. Dafür sinkt die Gabel dank dem Telelever kein Stück ein. Desto enger die Kehre, desto weniger Vertrauen konnte ich aufbauen. Das hat sich über die 2h hinweg kaum geändert. Das führt dazu, dass man manche Kehren einfach "zu langsam" nimmt und dann auch im falschen Gang hängt. Über die Kurve hinweg hält die GS stabil den Radius und der Radius fällt auch so aus, wie man es erwartet. Die Vorspannung des Fahrwerks regelt die GS automatisch ein. Das klappt wohl perfekt. Am Kurvenausgang dann die Macht, dank dem Motor und der sehr guten Traktion. Leider sinkt sie hinten stark ein, wenn man den Hahn aufdreht. Macht hier aber dennoch richtig Spaß zu erleben, wie selbstverständlich das der Motor macht.
Fazit:
Insgesamt bin ich nicht so richtig eins geworden mit dem Motorrad. Ich kann mir vorstellen, dass sich das gibt, wenn man damit mal ein paar Tage gefahren ist. Besonders der Kurveneingang war komisch. Windschild, Sitzbank und Lenker würde ich in jedem Fall ändern wollen (Optimierungsdrang). Das Fahrwerk hat mich auch nicht 100% zufrieden gestellt, wäre aber ok, wobei man ständig versucht wäre, zwischen den Modi hin- und herzuschalten. Es gibt wohl noch (gegen Aufpreis) eine Möglichkeit des Fahrwerk besser einzustellen. Müsste man testen. Ein "Habenwollen-Effekt" ist also nicht eingetreten. Was ich aber definitiv gerne für die T7 hätte: Einen Tempomat, den besseren Windschutz und ja.. die Mehrleistung wäre auch "nice to have".
Fazit zum Fazit:
Irgendwie ist es für mich schwer zu sagen, ob die GS jetzt "gut" oder "schlecht" ist, weil es so viel Licht und Schatten zugleich gibt. Zum einen der drehmomentstarke Motor, der aber teilweise klappert, vibriert und ganz untenrum keine Leistung mehr hat. Dann das Fahrwerk, das zwar komfortabel bei langsamer bis normaler Fahrt ist, aber unkomfortabel oder gar unsicher wird, wenn man schneller fährt. Oder die Gabel, die vorne am Kurveneingang nicht eintaucht, dafür das Heck, das beim Beschleunigen tief eintaucht. Oder der Lenker der zwar richtig positioniert ist, aber komisch gebogen. Oder der Sattel der zwar komfortabel gepolstert ist, aber eine ganz komische Form hat. Deshalb das Fazit zum Fazit: Komisch, die GS.