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  • 6000 Km in 12 Tagen von Neuss über Göteborg (Schweden), durch Norwegen zum Nordkap und anschließend durch Russland (Karelien) (Murmansk - St Petersburg) nach Helsinki (Finnland) und zurück nach Deutschland. Nordkap ist das primäre Ziel - vor allem reizt mich jedoch Karelien, das finnisch-russische Grenzgebiet. Touristisch nicht erschlossen und landschaftlich unberührt. Das Visum für Russland ist relativ leicht über eine Agentur zu beantragen, schreckt jedoch viele davon ab einen Abstecher nach Russland zu machen.

    Zitat

    Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.


    Dies wird wohl der Grund sein, warum Russland bisher von vielen Reisenden gemieden wird. Zu Unrecht. Die Gastfreundschaft, Die Natur und die "Zeitreise" in eine andere Welt vor der Haustür versprechen einen Abenteuerurlaub vom Feinsten. Zudem ist der Sprit mit 0,50€/Liter extrem billig und man unterstützt die GASPROMinenz.

    Das Nordkap ist wohl der beliebteste Pilgerort für Biker und sowas wie eine Reifeprüfung. Was genau bei dieser Tour reift, ist jedoch noch unbekannt. Die Straße zum Nordkap hat schon viele Motorradreifen gesehen - meine sollten bald hinzukommen. Jedoch nicht zur besten Reisezeit und nicht mit einer Reiseenduro oder einem Tourer, sondern mit einem Naked bike. Im Mai.

    Meine Tour sollte am 1. Mai beginnen. Das Datum vollkommen willkürlich ausgesucht und an den heimischen Wetterverhältnissen angepasst. Man lernt aus seinen Fehlern.

    Nachdem Fähre und Urlaub gebucht waren, sollte man sich natürlich über das Wetter im Norden informieren. Mai, also 3-9 Grad, knapp vor Vorsaison und in den höheren Lagen noch reichlich Schnee.
    Perfekte Bedingungen! Die Wettervorhersage wurde für die nächsten Wochen meine meistbesuchteste Seite und zugleich die frustrierendste. Sah der Süden Norwegens noch ertragbar aus, blieb es im Norden Norwegens und Karelien Motorradfeindlich.

    Die Vorbereitungszeit plätscherte dahin und ich bereitete langsam die benötigte Ausrüstung vor. Zelt, Schlafsack, Isomatte, Kocher und anderen teuren Schnickschnack den ich jedoch sowieso nicht benutzten werde, weil es einfach zu kalt, nass oder Alternativen gibt - aber das weiß ich ja jetzt noch nicht.

    Das Motorrad bleibt so wie es ist! Das einzige was reisefreundlich ist, ist die Gepäcklösung und Bernhards Sitz. Der Rest bleibt: Streetbar, Highsider, Sportrasten, RoadsItalia mit lautem Killer.

    Die Eltern sollte man vielleicht auch informieren, dass man zurück in die Heimat fährt - es wird sie bestimmt freuen, sind sie ja schließlich nach Deutschland ausgewandert weil Russland so ein tolles Urlaubsland ist.

    Sie kennen mich zu gut, als dass sie mir unter wehementen Drohgebärden versuchen würden diese Reise zu verhindern oder zumindest die Russlandetappe zu streichen - trotzdem versuchen sie es. Erfolglos.

    "Der "Kleine" hat schon immer gemacht was er wollte", sagte meine Mutter als sie mich enterbt hat.

    Mit dem Startdatum stieg die Nervosität rasant an. Die erste längere Tour seit dem Führerscheinerwerb und dann gleich Königsdisziplin Nordkap und Russland. 6000 Km in 12 Tagen (Ich bin bisher auf dem Motorrad 4000 Km in knapp einem Jahr gefahren, in NRW, bei 20°).

    Die Gedanken kreisen nur noch um die Reise. Jede einzelne Stunde am Tag. Soll ich es durchziehen? Schaff ich das? Wo liegt Finnland...

    2 Mal editiert, zuletzt von Baraban (29. Mai 2015 um 23:09)

  • Geil :rocker:geht-klar
    Bin auf den Bericht und mehr Bilder gespannt :winken

    MT-07 Race Blue mit ABS, kurzer KZH, LED-Blinker, USB-Buchse, Handyhalterung, GSG-Sturzpads, V-Trec-Hebel (kurz; schwarz mit Titanversteller), Verkleidung Kühlergril, Roadsitalia PROJSIX (Low dB-Killer), Sitzupgrad DWS (Fahrer+Sozia) :yeehaa
    geplant:
    Wirth Gabelfedern

  • Wow geile Strecke, bin echt auf deinen Bericht gespannt :klatschen Das ging ohne Spikes an den Reifen, da war kein Schnee dabei? ;) (für mich sind das alles Schneegebiete da oben :lachen )

    YAMAHA MT-09 - Matt-Grau - Goldene USD - ABS/TCM :: Wilbers 640 Nightline + Prog. Gabelfedern / ContiRoadAttack 3 / Sport Tracker Shield (MattGrau) / ST Sitzbank / Schwingen KZH 2018 / Barracuda Quadra Blinker/ IXS Laufband-Blinker / SW-Motech Motorpad / Lightech Achspads (Gold) / V-Trec Vario 3 Mattschwarz (Goldene Versteller) / Osram Nighttbreaker / Sozius QBag / 2.1A USB Doppelbuchse / Goldene Bobbins / Tacho Mittig verlegt

  • Böh, das wär was für mich....war bestimmt wunderschön wenn auch bestimmt ein wenig strapaziös ;)
    Bin auch auf den Bericht und die Pics gespannt!
    Würd sowas bei Zeiten auch gern mal machen :)

  • Heute geht es los! Ich habe meine Sachen am Vortag gepackt und ins Auto verladen um mein Motorrad im Parkhaus zu beladen.

    Ich habe unruhig geschlafen. Nach dem Aufstehen kann ich nur einen Kaffee trinken, den mir meine Freundin netterweise gezaubert hat, während ich meine Klamotten sortiere.

    Ich verabschiede mich von meiner besseren Hälfte, gehe das Motorrad packen und werde dann zum großen Abschied nochmal vor die Tür fahren. Meine Freundin will sicher sein, dass ich auch wegfahre.

    Am Parkhaus angekommen bewahrheitet sich Murphys Gesetz. Wenn etwas schief gehen kann, wird es schief gehen. Schon aus dem Auto sehe ich, dass an meinem Motorrad etwas nicht stimmt. Ich kriege Herzrasen und merke, dass es anders steht als ich es das letzte mal abgestellt hatte. Es wurde umgeworfen. Diagnose: Spiegel gebrochen, Kratzer am Auspuff.

    Kurze Nachricht an die Liebste, dass der Start sich etwas verzögert, die Eltern warten natürlich auch auf eine Stippvisite und die Fähre wartet ja sowieso auf mich.

    10 Meter Gaffatape später hängt der Spiegel STVO konform am Motorrad und es kann losgehen.

    P.s.: Ich wünsche den Teenies die im Parkhaus immer Saufgelagen veranstalten und dabei mein Motorrad umgeworfen haben viele Pickel an den Arsch und keine Finger zum Kratzen!

    Alle Anspannung der letzten Wochen fallen von mir ab, als ich auf die Autobahn auffahre und Richtung Kiel fliege wo auf mich die Fähre nach Göteborg wartet. Die Autobahnetappen sind ermüdend und langweilig. Ich habe mich Kleidungstechnisch komplett verschätzt und muss nach 200Km Nierengurt, warme Handschuhe und einen Fleecepulli anziehen. Diesen Fehler mache ich noch öfter.

    In Kiel angekommen hänge ich mich an eine Gruppe Biker die auch zur Fähre nach Göteborg fahren. Am Kai angekommen stelle ich meine Maschine ab und gucke routiniert wie ein alter Hase auf mein Navi, nicke meinen Kollegen zu und erwecke den Eindruck im Leben nie etwas anderes gemacht zu haben.

    Man sieht mir die Erschöpfung und den Nahtodzustand kaum an - hier heißt es nun warten. In knapp einer Stunde beginnt das Boarding.

    Auf der Fähre folgendes Spiel: Man zeigt seine Buchungsbestätigung, bekommt die Kabinenkarte und darf dann aufs Schiff. Mit einem erhöhten Puls fahre ich gekonnt an die Verzurrpunkte und setzte mein bei Youtube erlerntes Wissen über das Verzurren von Motorrädern für Überseefahrten in die Praxis um. Gurt über den Sitz, die alten Hasen machen einen Lappen auf den Sitz zum Schutz und dann festzurren. Mein Gurt klemmt! Kein fest und kein ab - nur Gurt. Ich friemele mit letzter Kraft den defekten Gurt los und kann am Ende mit einem ordentlichen Gurt meine Maschine sichern.

    Die Kabine ist super eingerichtet und gemütlich. Ich verbringe das Ablegen an Deck, mache Fotos und gehe dann erschöpft und glücklich etwas essen und dann nur noch glücklich ins Bett.

  • Ich schlafe unruhig weil ich Angst habe, dass die Fähre morgens anlegt und ich verschlafe - die kehrt ja auch sofort um, logisch.

    Beim Frühstück suche ich verzweifelt Milch für meinen Kaffee. Als ich etwas finde das so aussieht wie ein Milchkarton, kippe ich mir Youghurt in den Kaffee. Das Gesicht des Angestellten hätte man auch auf Postkarten drucken können. Tja, so trink ich meinen Kaffee eben, lieber Schwede! Der am Tisch abgestellte Youghurtkaffee erweckt den Eindruck, dass ich bei einem Date auf einem Schiff versetzt wurde.

    Nachdem das Schiff angelegt hat, bereite ich mein Motorrad vor und warte sehnsüchtig und vom Schweiße nass auf das Tor welches mich in die Freiheit entlässt. Die Fährbrücken sind aus Metall und naß - für Motorradreifen wie Eis. Dem Holländer vor mir versetzt es so stark beim Beschleunigen das Heck, dass er es mit Müh und Not einfangen kann. Er war ab dem Zeitpunkt auf jeden Fall wach.

    Ich mache es wie eine Gruppe alter Harley Fahrer und ziehe nur das nötigste an und werde mich dann nach der Grenzkontrolle in volle Montur schmeißen.

    Nach der Grenzkontrolle trennten sich die Wege der Motorradfahrer und ich werde sie auf meiner Tour auch nicht wiedersehen. Die haben vermutlich das warme Südnorwegen bevorzugt.

    Ich tippe mein heutiges Ziel in mein Navi und fahre nach Lillehammer. Dort werde ich mir einen Campingplatz suchen, den schönsten finden, Zelt aufschlagen und den Rest des Tages genießen! Das war der Plan.

    Während der Fahrt merke ich, dass die 80Km/h Begrenzungen zum schnellen vorankommen gänzlich ungeeignet sind. Weiterhin merke ich, dass Kleidung in der man in der Sonne zwar schwitzt, bei 10 Grad und 80 Kmh doch schnell kalt wird.

    Komplett durchgefroren und nervlich am Ende erreiche ich Lillehammer und nehme den ersten Campingplatz den ich finde und miete mir ohne zu zögern eine kleine Hütte. Zelt am Arsch! Eine heiße Dusche später bin ich wieder topfit und schlafe sofort in meinem Bett ein.

    Einmal editiert, zuletzt von Baraban (29. Mai 2015 um 23:53)

  • Sehr geil! Würde ich sofort spontan mitkommen :verliebt


    Außer zum Bebra Treff wolltest du nicht in den Norden fahren :aetsch :ablachen

    Aber sehr geile Tour und ganz alleine die weite Strecke. Hut ab! :toeff


    Wie es wohl weiter geht!? :pop2corn

    Aktueller Individualisierungsgrad:

    • LED-Blinker vorn und hinten, "Jürgen" KZH-Halter, Kühlerschutzgitter mit MT-Logo, Seitengitter lackiert, Sturzpads teillackiert, Akrapovic gelasert, Wilbers Fahrwerksfedern & Federbein, V-Trec Kupplungs- & Bremshebel, Superbike Lenker, Techspech Gripster Tankpad, ABM Sportfußrasten mit Gelenk

    Für die Zukunft:

    • Seitenteile umlackieren, variables Windschild !?

    2 Mal editiert, zuletzt von RudiHa (30. Mai 2015 um 00:01)

    • Offizieller Beitrag

    Sehr geil, ich beneide dich auch. Ich stehe auf Abendteuer und es wäre ja auch langweilig wenn alles glatt und nach Plan verlaufen würde. Wo ist da der Spaß :)

    Ich will, wenn das mit Bebra nicht klappen sollte, auf jeden Fall auch eine längere Tour machen. Ich lasse mich von dir inspirieren :)
    Die Idee mit der Metallbox finde ich total geil. Sieht irgendwie fett aus :daumen-hoch

  • Der Tag beginnt um 07:00. Ich fühle mich gut und bin für die nächste Etappe bereit - bis ich mein verreistes Motorrad sehe und das Thermometer. 1° Celsius - ich krame mein ganzes warmes Zeug aus und stülpe mir gefühlte 30 Schichten Thermokleidung über. Jetzt muss ich jemanden finden der mich aufs Motorrad hebt!

    Die Fahrt geht heute nach Inderoj, knapp 450Km weit weg zu einem kleinen idylischen Campingplatz am Wasser.

    Das Wetter bessert sich und ich freue mich auf eine kurzweilige und schnelle Etappe - bis Regenwolken aufziehen und sich, wie soll es anders sein über mir ergießen.

    Ich fahre knapp eine Stunde bis ich durchgefroren und nass am Campingplatz ankomme.


    (Wetter auf den Bildern kann von den Erzählungen abweichen)

    Außer mir und dem Hausmeister befindet sich niemand auf dem schönen Platz. In Norwegen wohnen die Betreiber der Plätze meist mit auf den riesigen Geländen und wenn die Rezeption nicht besetzt ist, steht eine Nunmer bereit under der man die Inhaber erreicht.

    Bevor ich mein Handy zücke, die Rezeption ist Anfang Mai selbstverständlich nicht besetzt weil ich knapp vor Vorsaison reise, ruft mir der Hausmeister auf Englisch zu, dass die Inhaberin an einer Hütte ist und diese sauber macht.

    Ich finde die gute Frau und bitte um einen Unterschlupf für eine Nacht. "Nichts bezugfertig!" lautet ihre Antwort. Sie mache gerade die Vorbereitungen für das kommende Wochenende und hat keine kleinen Hütten fertig. Ich bitte Sie mir irgendwas zur Verfügung zu stellen wo ein Dach drüber ist - in meinem Zustand fahre ich heute nicht weiter. Sie hat Mitleid und bittet mir eine Familienhütte für 400 Kronen an - ein Top Preis. Ich willige ein und bedanke mich recht herzlich bei ihr dass sie durch mich Geld verdient hat.

    Ich beschließe mir noch was zu Essen zu besorgen und breche mein Versprechen. Ich schwinge mich aufs Motorrad und fahre zur nächsten Tankstelle - im Gegensatz zu Deutschland haben alle Tankstellen in Norwegen eine sehr gute Imbissabteilund die jeden Weightwatcher zur Verzweifelung bringt. HotDogs, Hamburger und Pommes in allen möglichen Variationen. Relativ günstig und für einen Imbiss sehr lecker. Ich ordere "to go", zahle, verzurre es am Motorrad und fahre zurück.

    Nachdem ich nun erfahren habe wie sich die mir gesetzten Etappen sich anfühlen, entschließe ich mich meine Fähre für die Heimreise zu buchen und meinen gesetzten Zeitplan in Stein zu meißeln. 13.05 um 17:30 fährt die Fähre von Helsinki nach Travemünde. Mit mir an Bord?

    Einmal editiert, zuletzt von Baraban (30. Mai 2015 um 00:30)

  • Heute geht es kurz vor den Polarkreis. Skoggly obernatting heißt das Ziel - keine Krankheit, sondern ein Campingplatz.

    Das morgendliche Ritual nimmt Routine an. Tankrucksack packen, Zähne putzen, Wasservorräte auffüllen, aufsatteln und losreiten.

    Das Wetter spielt heute mit und verwöhnt mich mit 5° und Sonnenschein.

    Die Strecke ist aufregend. Fahrerisch und Landschaftlich - auf den höheren Ebenen wird es empfindlich kalt, sodass ich innerhalb kürzester Zeit auskühle und friere. Der eiskalte Wind kriecht in jede Faser des Körpers - besonders die Füße sind, sobald sie mal ausgekühlt sind, nur sehr schwer wieder warm zu bekommen.

    Norwegen zeigt sich von einer spektakulären Seite. Aufgrund der Jahreszeit bin ich stellenweise stundenlang alleine in überwältigenden Landschaften unterwegs.

    Das Klima zwingt mich jedoch öfter Pausen zu machen um nicht den Messner zu erleiden. Meine Zehen brauche ich noch.

    Das Wetter ist trügerisch. Kaum vom Motorrad abgestiegen fühlt man sich wieder bereit loszufahren - würde aber nach 5 Minuten wieder fluchend wegen schmerzenden Füßen anhalten müssen.

    Durch die Geschwindigkeitsbegrenzungen und die vielen Pausen komme ich nur schleppend voran und bin lange unterwegs. Norwegen hat etwas magisches - man ist gefühlt stundenlang unterwegs und meint hunderte von Kilometern zurückgelegt zu haben. Das Navi zeigt bei der Pause die harte Wahrheit an: 74Km. Norwegen bremst einen im positiven Sinne ziemlich aus. Mein Zeitplan ist knapp und ich habe für Magie nichts übrig also rauf auf den Bock und gib ihm!

    Die restliche Strecke verläuft übersättigt von schöner Natur und lautem Auspuffsound bis ich gegen 18:00 am Campingplatz ankomme.

    Campingside Closed! Keine Telefonnummer, nichts!

    Scheiße! Ausgerechnet dort wo die Campingplatzdichte in Norwegen am kleinsten ist. Ich bin kurz vor der Arktis und es gibt innerhalb von 300Km nur Skoggly und Krokstrand Camping an dem ich vor einer halben Stunde vorbeigefahren bin. Die nächste Stadt ist nicht bei Tageslicht zu erreichen, also Kommando zurück und letzter Strohalm Krokstrand.

    Dort angekommen ist das Symbol für freie Hütten durchgestrichen. Das hindert mich nicht daran nach einer zu fragen. "No, no cabins. Its to much snow and no season!" Jaja, ich weiß - bin extra so gefahren. Die Dame kann mir jedoch ein Motelzimmer anbieten und lächelt süffisant weil sie genau weiß, dass ich keine Option habe als einzuwilligen. Zumindest gibt es morgen Frühstück.

  • Heute soll es eine kurze Strecke werden, damit ich Übermorgen für die 500Km Etappe fit bin. Wir kennen ja Murphy!

    Der Tag beginnt relativ bewölkt und zäh. Ich vollführe mein morgendliches Ritual, frühstücke und sehe beim beladen des Motorrads ein Warnschild auf der Straße "E6 stengt", die E6 stinkt?! ... "geschlossen" sagt mir Google. Eine geschlossene E6 ist dahingehend scheiße, weil es die einzige Verbindung auf meiner Route ist. Die Alternative wäre 400Km zurück und über die Fjörde mit den Fähren. Zeitlich kaum vorherzusehen und machbar.

    Die Inhaberin des Motels klärt mich auf: Unfall und Schnee auf den Bergen. Wie lange sowas erfahrungsgemäß dauert frage ich sie und bekomme "Bis es beseitigt worden ist!" als Antwort. Logisch eigentlich.

    Ich beschließe mir die Sache mal genauer anzuschauen in der Hoffnung mich mit dem Motorrad irgendwie durchzuschlängeln. Die Inhaberin wünscht mir viel Glück.

    Mit einem erhöhten Puls starte ich meine Mission idiotible und komme nach knapp 20 Km zum stehen. Schlagbaum. Rote Ampel. Norweger im Auto vor mir liest Zeitung. Keine Stollenreifen, kein Geländefähiges Motorrad, keine gute Idee. Ich frage eine Norwegerin hinter mir wie lange so eine Sperre erfahrungsgemäß dauert - ja, bis alles beseitigt worden ist. Fool me once: You are the fool, Fool me twice: I'am the fool!

    Ich mache kehrt und richte mich im Bistro des Motells heimisch ein. Viele Norweger die in meine Richtung fahren kennen dies bereits und warten gelassen auf die Freigabe der E6. Ich frage diesmal niemanden wie lange sowas erfahrungsgemäß dauert. Da Norwegen ziemlich gut mit Webcams ausgestattet ist, finde ich zumindest die verschneite Straße und kann mir live angucken wann der Schnee schmilzt.

    Wie lange solche Sperren erfahrungsgemäß dauern?! Knapp 5 Stunden bis alles beseitigt ist.

    LKW Fahrer sind untereinander extrem gut vernetzt. Freie Straße, Polizei, beste Bratwurst?! Die Trucker wissen es zuerst.

    Die Truckerkolonen setzten sich vor dem Fenster in Bewegung und ich beschließe noch zu warten bis die 40tonner die Straße etwas vom Schnee befreit haben. Dann fahre auch ich los. Mit 5 Stunden Verspätung.

    Die Straße auf dem Berg vor dem Polarkreis ist reinste Tortur. Wasser in allen seinen Aggregatsformen. Flüssig, Fest und Schnee. Das Fahren wird zum Geduldsspiel und ich stelle mich schon geistig auf einen Rutscher ein. Ich muss den Spurrillen der LKWs folgen weil diese am befahrbarsten sind. Hochkonzentriert nicht für eine zweite Sperrung der E6 verantwortlich zu sein, erblicke ich eine rote Kuppel an mir vorbeiziehen. Das Polarkreisgebäude hat doch eine rote Kuppel?! Tatsache, Ich bin doch tatsächlich am Polarkreis vorbeigefahren.

    Kommando zurück und wenden. Ein Straßenarbeiter auf einem Schneemobil sieht sich meinen zeitraffer U-Turn in aller Ruhe an um dann nur mit dem Kopf zu schütteln.

    Aufgrund der Sperre konnten die Mitarbeiter des Polarkreisgebäude auch nur verspätet hinfahren und sind gerade dabei die Aufsteller an der Straße zu positionieren. Für mich zwar zu spät aber die anderen Touris werden es ihnen danken.

    Ich muss mein Motorrad durch Schnee manovrieren und kann nicht anders als in meinen Helm zu schreien als ich es geschafft habe. Den Polarkreis so überquert wie er es verdient hat. Im Schnee, erledigt und dem Tode nah (fast). Eine Gruppe tschechischer Touris beglückwünscht mich und wären meine Wangen wegen der Kälte nicht schon rot, wären sie es jetzt geworden.

    Ich schieße ein paar Fotos - viel ist aufgrund der Schneemassen nicht zu sehen und kaufe zur Beweissicherung einen Kühlschrankmagneten.

    Ich bin absolut glücklich es bis hierhin geschafft zu haben. Polarkreis so wie ich ihn sehen wollte. Der Polarkreis hat es nicht verdient bei Sonnenschein und 15° überquert zu werden. (In Russland werde ich genau das machen).

    Euphorisch schwinge ich mich auf mein Motorrad und setzte meine Fahrt fort. Nichts kann mich aufhalten. Polarkreis, Nordkap, Nordpol - packt schonmal die Kühlschrankmagnete aus!

    Als wären die heutigen Verspätungen nicht schon genug, steht heute noch eine Fährüberquerung an. Ich habe Glück und komme genau während des boarding an und werde als erstes verladen. Handschuhe aus, Helm ab, Kreditkarte raus, Kreditkarte rein, Helm drauf, Handschuhe an und los. Seitenständer, ersten Gang rein und der Kapitän kann losdüsen. 25 Minuten dauert die Überfahrt. Während ich warte, werde ich mit dem Standardsatz angesprochen ob es für Motorrad doch nicht zu kalt ist. Eine Dame im mittleren Alter, nach Norwegen ausgewandert, bewundert meine Pläne, erzählt von ihrer Motorradkarriere und das Leben in Norwegen. Wir plaudern eine Weile, bis es ihr zu kalt wird und wir uns mit besten Reisewünschen verabschieden.

    Am anderen Fährhafen angekommen darf ich als erster von Bord damit die Fähre nicht mehr schief im Wasser steht und gehe zum Endspurt über. Das Wetter ist bedeckt und kalt und ich brauche dringend eine heiße Dusche. Ballangen Camping habe ich mir zum Übernachten ausgesucht. Dort angekommen verrät mich mein lauter Auspuff und während ich mich entkleide, stürmt ein junger, dynamischer Mann heran. Er ist der Besitzer und heißt mich willkommen. Ich kann eine günstige Hütte mieten und sehe auf einem Schild die magischen Worte: "SAUNA" - Schmeiß an das Teil! Kein Problem, in einer Stunde kannst du rein. Wir haben eine Familie mit Kindern hier, also vorsicht beim abkühlen. Man sieht mir wohl an, dass ich nach der Sauna gerne nackt im Eiswasser bade.

    Der Besitzer hat den Campingplatz erst vor kurzem übernommen, deshalb auch vermutlich die blitzschnelle Bedienung. Wir plaudern noch kurz über meine Route und die kommende Saison und verabschieden uns. Ich esse bei Maria, einer Italienerin aus Deutschland die nach Norwegen ausgewandert ist den besten Hamburger in Norwegen (Tatsache!) und plaudern über Gott und die Welt. Sie freut sich wieder mal deutsch sprechen zu können und ich nicke mampfend zustimmend zu.

    Die Sauna ist exzellent eingerichtet. Sauna, WC, Dusche, Terrasse. Wenn da ein Grill wäre, geht das in Russland als Einfamilienhaus durch. Alles ist neuwertig und sehr sauber! Es tut unglaublich gut mal was anderes als Kälte zu spüren und ich verbringe knapp 2 Stunden in dieser himmlischen Einrichtung. Es gibt im russischen ein Sprichwort:"Wenn Wodka und Sauna nicht mehr helfen, führt die Krankheit zum Tode!".

    Einmal editiert, zuletzt von Baraban (30. Mai 2015 um 01:22)

  • Toll, sehr unterhaltsamer Bericht und Respekt für diesen Alleingang! :daumen-hoch
    Mir wäre das eindeutig zuuu kalt. Aber die Tour würde mich auch interessieren.
    Freue mich schon auf den nächsten Teil! :popcorn

    :toeff : 18.383km

  • Heute geht es knapp 550Km nach Alta. Bei dem Wetter eine anspruchsvolle Strecke.

    Der Tag verläuft ganz nach Plan bis vor mir ein Tunnel gesperrt ist. Stromausfall. Jetzt heißt es warten und dann Kolonenverkehr. Die Tunnel in Norwegen sind für Motorradfahrer und ich denke auch für andere Verkehrsteilnehmer der reine Horror. Extrem schlecht ausgeleuchtet. Staubig, feucht und kalt. Ohne Licht wird es dann abenteuerlich.

    Man wartet in der Kolone auf das "safety car" und fährt dann gemeinsam los. Wenn man Glück hat, sieht man irgendwann Licht am Ende des Tunnels!

    Heute macht mir der Wind zunehmend zu schaffen. Abgesehen von der erheblichen Lautstärke im Helm, gibt es Böhen die einen schlagartig in den Gegenverkehr drücken. Mir ist es zweimal passiert, dass ich einen so heftigen Windschlag bekommen habe, dass ich trotz Gegenlenken im Gegenverkehr war. Der angesprochene Lärm wurde mir irgendwann, trotz Alpine Motosafe zu viel. Im Baumarkt besorgte ich mir die bekannten gelben Ohrenstöpsel um endlich Ruhe zu haben. Auf manchen Abschnitten war es trotz extrem dämpfender Ohrenstöpsel ziemlich laut im Helm.

    Auf die Dauer ist der Faktor Wind für mich der belastendste. Windböen die ununterbrochen an einem zehren haben mich auf meiner Tour 2 mal zum pausieren gezwungen weil ich so dermaßen genervt von dieser "Hilfslosigkeit" gegenüber dem Wind war, dass ich eine Pause brauchte.

    Ziemlich spät am Abend erreichte ich Alta und bekam problemlos eine Unterkunft. Meine Vorfreude auf die Sauna, die auf der Homepage des Betreibers genannt war, wurde leider nicht erfüllt. Defekt. Elektronikprobleme. Eine heiße Dusche wird es richten.

  • Mega Respekt, Geile Fotos, Super Bericht. Absoluter Wahnsinn, das hat glaube ich noch keine MT erlebt :daumen-hoch
    Das wär ein Super Reise-Bericht für eine Motorrad Zeitschrift! Deine Erlebnisse sollten andere auch Lesen  :daumen-hoch

    YAMAHA MT-09 - Matt-Grau - Goldene USD - ABS/TCM :: Wilbers 640 Nightline + Prog. Gabelfedern / ContiRoadAttack 3 / Sport Tracker Shield (MattGrau) / ST Sitzbank / Schwingen KZH 2018 / Barracuda Quadra Blinker/ IXS Laufband-Blinker / SW-Motech Motorpad / Lightech Achspads (Gold) / V-Trec Vario 3 Mattschwarz (Goldene Versteller) / Osram Nighttbreaker / Sozius QBag / 2.1A USB Doppelbuchse / Goldene Bobbins / Tacho Mittig verlegt

  • Heute ist es soweit - der erste Russe betritt den Nordkap. Schön wärs. Ich fahre trotzdem hin. Es sind nur 250Km bis zum Nordkap und ich trödele etwas länger als gewöhnlich rum. Ich habe heute und morgen Zeit um nach Kirkenes zu kommen um im Zeitplan zu bleiben. Das ist sehr viel Zeit!

    Das Wetter verspricht nichts gutes und ich fahre im leichten Regen los. Über den Tag verteilt klart es mal mehr, mal weniger auf - bleibt jedoch überwiegend dunkel und trocken.

    Zum Nordkap gibt es nur eine Straße. Die E69. Bei diesem Wetter hat die Straße die am Wasser und an steilen Felsen verläuft etwas gespenschtisches und der Wind wird hier noch härter. Ich kühle innerhalb kürzester Zeit aus und muss um die Schmerzen aus den Füßen zu bekommen anhalten und meine Füße am Auspuff wärmen.


    Mit dem Gedanken daran wie hart es war doch bei dem Wetter mit dem Motorrad hierhinzufahren werde ich eines besseren belehrt. Ein Fahhradfahrer kommt mir entgegen. Voller Erfurcht grüße ich den Eisenarsch der mir entgegenstrampelt. Rote Wangen und ein verschmitzes Lächeln grüßen zurück. Wie hart der Abschnitt für ihn gewesen sein musste der jetzt auf mich zukommt kann ich mir nicht vorstellen. In Gedanken an meinen persönlichen Helden sehe ich einen Mann der mit einem riesigen Rucksack und einem Hund Richtung Nordkap läuft. Sein Gesicht im Rückspiegel bestätigt meine Theorie - der läuft zu Fuß da hoch! Dichter Bart und ein Blick wie ich ihn nur in der Konditorei kenne. Entschlossenheit!

    Das Nordkap zieht Vollidioten magisch an. Das ist wie die Motte und das Licht oder Fliegen und Scheiße.

    Auf die häufig gestellte Frage warum man zum Nordkap fährt/läuft/schwimmt gibt es, von mir zumindest, keine Antwort. Einfach, weil ich darauf keine Antwort habe. Irgendwann klemmt die richtige Synapse, man wacht auf und fährt los!

    Das was Radfahrer Eisenarsch schon hinter sich hatte, da muss ich jetzt durch. Der Nordkaptunnel. 6870 Meter Lang, geht er steil nach unten, verläuft unter dem Wasser und bringt einen rüber zu der Insel auf dem der nördlichste befahrbare Punkt Europas liegt. 6Km beklemmende Angst und der bedingungslose Wunsch danach, dass der Tunnel bald ein Ende hat. Zum Glück darf man da auf dem Rückweg nochmal durch. Tiefsten Respekt an jeden Radreisenden der durch dieses Scheißding fährt!

    Die letzten Kilometer fliege ich die kurvige Strecke die im landschaftlichen Nichts verläuft hoch bis ich am Ziel bin! NORDKAP!

    Erstmal Eintritt zahlen. Abenteuer hat seinen Preis!

    Alle zeitliche Anspannung verfliegt - es wird schwer einen klaren Gedanken zu fassen außer pure Erleichterung und Freude fühle ich nichts. Ich bin mit dem Motorrad so weit nach Norden gefahren bis es nicht mehr weiter geht. Ja, Wikipedia deutet darauf hin, dass es einen nördlicheren Punkt den man zu Fuß erreichen kann gibt aber das ist alles Hokus Pokus. Als ich mich an die Absperrung stelle, ist meine Nasenspitze der nördlichste Punkt Europas - ich kann den Nordpol riechen! Wikipedia hat nicht immer Recht!

    Die Nordkaphalle ist ein schöner Komplex der sich auf das Wesentliche konzentriert. Souveniers, WC, Museum, Kaffeebar und Wlan. Ich verweile am Nordkap, kaufe Kühlschrankmagneten, trinke Kaffee und bereite mich auf die Rückfahrt vor!

    Kurz vorm Schließen frage ich einen Mitarbeiter ob ich denn mit meinem Motorrad für ein Foto an den Globus darf. Er bedankt sich dafür, dass ich überhaupt frage und wenn ich mein Motorrad bis dorthin schiebe, geht das vollkommen in Ordnung.

    Am Nordkap lasse ich von einem niederländischen Pärchen ein paar Fotos schießen und sie gestehen mir mein Motorrad schon am Eingang fotografiert zu haben. Wir kommen kurzweilig ins Gespräch. Ich erläutere ihnen meine Strapazen und sie mir Ihre. Sie sind mit einem Jeep hierhoch gefahren und haben jetzt einen Monat Zeit wieder zurück in die Niederlande zu kommen. Meinen Freund Radfahrer Eisenarsch und den einsamen Wolf haben sie auch gesehen.

    Als ich einen russischen Globetrotter mit einem Geländewagen vor dem Eingang sehe frage ich diesen nach dem Zustand der M18, die von Murmansk nach St. Petersburg verläuft und ob diese problemlos von mir befahrbar wäre. Selbstverständlich, 1-2 Baustellen und die restlichen Kilometer wie mit Lineal gezogen. Wir werden sehen!

    Knapp nach 16:00 breche ich Richtung Kirkenes auf und muss knapp 2 Stunden die selbe Strecke wieder zurückfahren auf der ich hergekommen bin.

    Spät abends erreiche ich einen abgelegenen aber extrem schön gelegenen Campingplatz 10Km vor Lakselv. Der Betreiber bietet mir eine Hütte an die ich dankend annehme und winkt mich kurze zeit später zu einer anderen Hütte die größer ist und ein eigenes Bad hat - ich solle die nehmen. Bei sowas widerspreche ich nicht - hier kann er mich nachts wohl besser töten, oder das Motorrad besser klauen.

    Kurze zeit später kommt wohl der 2. Besitzer der gewaltig eine Fahne hat und will nachschauen ob ich genug Toilettenpapier habe - bittesehr! Nachdem ich ihm auf die Frage nach meinem Herkunftsland "Germany" sage, kommt folgender Satz wie aus der Pistole geschossen:" Haven sie Snaps? Ich will Snaps kaufen!" Ich verneine, ich habe keinen Alkohol mitgenommen und auch wenn, wäre er nicht die Person der ich es verkaufen/verschenken würde.

    Ich lade mein Motorrad ab unf fahre noch nach Lakselv rein um mein Abendessen zu besorgen. Lakselv scheint eine extrem neue und unglaublich häßliche Stadt zu sein. Alles notwendige lieblos hingemauert und fertig. Mir solls recht sein, ich muss hier schließlich nicht wohnen.

  • Der Tag beginnt mit Sonnenschein und ich freue mich auf eine kurze Etappe nach Kirkenes, die zudem noch 200 Km durch Finnland verläuft. Kirkenes soll meine letzte Basisstation sein, bevor ich nach Russland einreise. In Russland bestimmt aber nicht der Reisende wann er einreist, sondern Russland bestimmt und der Tag kommt komplett anders als ich ihn geplant habe.

    Zu Finnland gibt es nicht viel zu sagen - dafür habe ich zu wenig von Finnland gesehen. Die Natur ist wunderschön, die Straßen hingegen fahrerisch absolut eintönig und langweilig. So kam es auch, dass ich auf der Etappe Geschwindkigkeiten über 120-130 Km/h hatte und auf 250Km kein einziges Auto gesehen habe. Dementsprechend schnell war ich auch kurz vor Kirkenes. In Finnland habe ich nochmal getankt und einem russischen Pärchen mit meiner Kreditkarte ausgeholfen. In Skandinavien ist man ohne Kreditkarte und PIN komplett aufgeschmissen. Sie geben mir Bargeld, ich tanke für das Geld auf meine Karte und fertig. Gute Tat erledigt. Die beiden kommen aus Murmansk und besuchen ihre Tochter irgendwo, habe ich vergessen. Als ich Ihnen meine Route nenne fragen sie mich ob ich Horrorfilme mag. Abrupte Themenwechsel bei den Russen?! Ich solle mich schonmal innerlich darauf einstellen - Murmansk ist ein Horrorfilm. Also Reiseleiter werden die beiden schonmal nicht!

    Murmansk ist noch einen Tag entfernt. Ich muss mich erstmal um eine Bleibe in Kirkenes kümmern. Kirkenes ist leider meiner Meinung nach eine sehr dreckige und abgenutzte Stadt. Ich finde in der Innenstadt bis auf ein Hotel mit Hafenblick keine Bleibe wo ich schlafen kann und fahre weiter. Der letzte Campingplatz vor Russland ist meine letzte Rettung. Als der Inhaber mir an der Rezeption den billigsten Preis nennt besiegelt er meine Weiterreise und in diesem Fall auch die Einreise nach Russland.

    Es ist 16:00. Bis Murmansk 300Km, also 21:00 Uhr müsste ich da sein und hätte mir einen Tag Puffer geschaffen.
    Davai davai Kamerad!

    Mit jedem Kilometer Richtung Grenze werde ich nervöser und bin kurz davor den Schwanz einzuziehen und via Finland nach Hause zu reisen - das würde ich mir jedoch nie verzeihen und müsste später nochmal hier hoch - also durch da. Die Comfortzone schon lange vom Motorrad abgesprungen bollert mich mein Bock durch meterhohe Zaun, Drahtseilgeflächte unaufhaltsam Richtung Russland. Verdammte Axt werde ich nervös - "was soll passieren?" beruhige ich mich. Jaja, was soll passieren. Wirste schon sehen!

    Die Grenze ist unspektakulär. 2 Grenzbeamte und ein Gebäude für die Anmeldung.

    Ich vergewissere mich nochmal nach dem Ablauf und kriege das go, also rein und hoffen dass mit meinem Visum alles in Ordnung ist. 2 Grenzkarten ausfüllen und 2 Zollerklärungen für das Motorrad. Die nette Beamtin hilft mir in aller Ruhe dabei und ist sehr freundlich. Harascho!

    Komplett nass geschwitzt habe ich alle Unterlagen zusammen und darf in das größte Land der Welt einreisen. Der Grenzbeamte begutachtet meine Militärbox und sagt er würde doch gerne ein Blick rein werfen - keine Sorge, ich annektiere euch hier nichts weg. Sonst möchte der Beamte nichts mehr sehen und ich darf fahren.

    Beim anziehen meiner Kleidung spricht mich Sergej an, er hat mein Motorrad gesehen und auch Verwandtschaft in Düsseldorf. Er selbst fährt auch Motorrad und fragt wo ich heute unterkomme - dabei reicht er mir seine Karte. Transferservice Kirkenes-Murmansk. Ich fahre zu meinem Bruder in Murmansk sage ich ihm und entschuldige mich gleichzeitig weil ich weiter muss und keine Zeit zum Reden habe. An der russischen Grenze kriegt von mir leider niemand eine wahre Antwort - sorry!

    Ich bin endlich in Russland - so aufregend die Route zum Nordkap ist, hier wollte ich hin, hier haben die Straßen nur wenige Motorradreifen gesehen. Ich merke nach kürzester Zeit warum.

    Die Baustelle die mir durch das russische Pärchen in Finland angekündigt worden ist, ist mit Worten nicht zu beschreiben.
    Ich werde nie wieder etwas über deutsche Baustellen sagen!

    Die Baustelle wird angekündigt und ein Schild verrät mir auch die Länge dieser. 13Km. Straßenbau funktioniert in Russland etwas anders. Wo in Deutschland erst eine Spur gemacht wird, dann die andere oder umgeleitet wird, zumindest dafür Sorge getragen wird, dass man zwar langsamer vorankommt aber noch Straße unter dem Auto hat, so läuft es in Russland anders. Erst wird die Straße auf 13Km komplett zerstört. Beide Spuren. Ohne Kompromisse und dann, ja und dann weiss ich nicht, ich bin über Phase 1 nicht hinweggekommen.

    Mein Motorrad hat die katastrophalen Straßenverhältnisse ohne ein Widerwort geschluckt - Danke! Tut mir leid, dass ich dich dadurch geprügelt habe.

    Die 13Km haben mich komplett ausgelaugt. Hier war mir mein Motorrad Segen und Fluch zugleich. Zu neu, zu schön, zu schade für solche "Straßen". Es wird ein anderes kommen müssen - dazu später mehr!

    Nachdem ich die Baustelle überstanden habe, erreichte ich eine Tankstelle. Ich musste dringend Tanken und meinen Kanister auffüllen. Die Tankstellendichte in Karelien reicht für meine Motorradreichweite nicht oder nur mit Rückenwind aus.

    Die Tankstellen in Russland funktionieren anders als gewohnt. Im Prinzip geht man erst bezahlen und dann tankt man was man vorher bezahlt hat. Sicherheitsmaßnahmen. Beim Auto ist dieses Vorgehen problemlos möglich, beim Motorrad muss ich jedoch genau abschätzen wieviel Liter noch in den Tank gehen, damit ich nicht zu viel zahle. Ich habe bei allen Tankstops extrem gut gelegen und nie über einen halben Liter vergeudet.

    Die Schlange ist extrem lang weil dieses System viel mehr Zeit in Anspruch nimmt. Viele Norweger sind auch zum Tanken hier. Kein Wunder kostet der Liter hier 50Cent, also rund 1€ weniger als in Norwegen.

    Als ich an der Reihe bin bestelle ich 7 Liter feinsten 95 Oktan Saft und will mit meiner Mastercard zahlen, Rubel konnte ich noch nicht wechseln und in Skandinavien habe ich keinen Euro getauscht, sondern konnte jeden kleinsten Kauf mit der Karte bezahlen - da ist Skandinavien echt extrem weit. Ich glaube selbst die Drogendealer haben Kreditkartenlesegeräte.

    Abgelehnt! FUCK! .. nochmal bitte! ABGELEHNT! Euro?! NIET! Scheiße, aber ganz große!

    Dann ging das gerechne los. 200Km bis Murmansk, ich habe so ca. 7 Liter im Tank, bei einem Verbrauch von 4 Liter auf 100 Km macht das ... genau 200Km Reichweite. (fast)

    Bis Murmansk ist noch eine kleinere Stadt als Notanker. Vielleicht kann ich da Geld wechseln und tanken denke ich und fahre los.