Johannes hat die Reichweiten- und Ladeproblematik ja schon angesprochen, ich will das nach einer ausgiebigigen Diskussion in einer größeren Runde von Verkehrswissenschaftlern am Wochenende hier noch mal aus einer eher politisch-gesellschaftlichen Perspektive vertiefen.
In Deutschland wohnen rund 55% der Menschen zur Miete, meist in den Städten in mehr oder weniger großen Mehrfamilienhäusern. Für diese Gruppe ist es meist schon schwierig, in der Nähe überhaupt einen Parkplatz für die Nacht, geschweige denn einen mit Ladesäule zu finden. Solange es nicht an jeder Ecke, jedem Supermarkt und bei jedem Arbeitgeber auch Ladeinfrastruktur gibt, werden sich von diesen Stadtbewohnern die allerwenigsten ein BEV kaufen.
Hinzu kommt, gerade für die Städter, ein anderer Aspekt: Insbesondere in der jungen Generation der Stadtbewohner machen viele Leute angesichts brauchbarer ÖPNV-Angebote gar nicht erst den Führerschein. Die fallen also als potentielle BEV-Kunden schon mal komplett raus, auch wenn sie ansonsten hippe Gadgets durchaus zu schätzen wissen. Aber selbst wenn so ein Stadtbewohner das unsägliche Glück hat, in der Nähe eine wenig frequentierten Ladesäule zu wohnen, wird er sich die Anschaffung eines BEVs dennoch gut überlegen, denn viele Stadtbewohner nutzen ihr Auto fast nur noch für die großen Strecken, z.B. im Urlaub oder auf Dienstreisen. Warum aber sollte man ausgerechnet im Urlaub oder auf Dienstreisen unter Zeitdruck den zur Zeit noch unvermeidlichen Komfort- und Zeitverlust in Kauf nehmen, solange es noch Verbrenner mit fast unendlicher Reichweite gibt?
Genau dieser letzte Aspekt wird aber auch dem Eigenheimbesitzer mit Steckdose in der eigenen Garage zumindest vorerst die Entscheidung für ein BEV schwer machen. Denn auch für den läuft es ja darauf hinaus, entweder auf die flotte und bequeme Langstrecke im Auto zu verzichten oder sich selbst dann einen Zweitwagen zuzulegen, wenn eigentlich gar keine zwei Autos benötigt werden. Selbst wenn viele Eigenheimbesitzer das noch in Kauf nehmen würden, hört der Spaß spätestens dann auf, wenn man Versicherungen, Steuern, TÜV, ... auch dann doppelt bezahlen muss, wenn man eigentlich nur ein Fahrzeug benötigt und nutzt. Als Kernzielgruppe für BEVs bleiben demnach Eigenheimbesitzer, die entweder ohnehin einen Zweitwagen mit beschränkter Reichweite benötigen, oder denen es so ziemlich egal ist, was der Spaß kostet sich so ein hippes Teil einfach zusätzlich vor die Garage stellen. Man gönnt sich ja sonst nichts ...
Lange Rede kurzer Sinn:
Ohne eine sehr gut ausgebaute Ladeinfrastruktur mit zahlreichen leistungsfähigen, aber auch klug verteilten DC-Ladesäulen wird so ein BEV das Privileg einiger Besserverdiener mit Eigenheim bleiben. Wenn man sich nun auf diesem Hintergrund mal anschaut, was unsere aktuelle Regierung - neben vollmundigen Absichtsbekundungen - diesbezüglich konkret plant und umsetzt, darf man bezweifeln, dass BEVs in absehbarer Zukunft einen nennenswerten Teil zur CO2-Einsparung beitragen.
Die erhöhten Kaufprämien für BEVs jedenfalls laufen meines Erachtens genau in die falsche Richtung, denn die subventionieren vor allem Leute, die es mehrheitlich gar nicht nötig hätten. Der großen Mehrheit jedoch bringen Kaufprämien nichts, denn wer kauft schon richtig teure, aber leider für die eigenen Zwecke unbrauchbare Autos, nur weil sie dann nicht mehr viel teurer als die bewährten, vielseitigen Verbrenner sind?